Dieser Text erschien ursprünglich unter dem Titel ‚The Gates of the Angel‘ von William Stoltz in: Ogdoadic Journal Vol. 1 Issue 3 auf der Homepage des Astrum Sophiae. Das englische Original findet sich hier. Übersetzung durch: Citadel of Pharos.

 

Die Tore des Engels – von William Stoltz

Das Herz aller wahrer Magie liegt in der Suchwanderung und der andauernden Arbeit, seine göttliche Bestimmung zu erfüllen. Die am Meisten vertraute Terminologie in der westlichen Mysterientradition (WMT) bezieht sich auf dieses Phänomen als „Kenntnis und Konversation mit dem heiligen Schutzengel“ (Knowledge and Conversation with the Holy Guardian Angel). Wie im Begriff impliziert, ist dies die Erfahrung, Wissen oder Gnosis des göttlichen Selbst zu erhalten: Eine Epiphanie oder auch Theophanie, wenn man so will. Dieses Phänomen, wenn man es wörtlich nehmen will, bezeichnet eine Übertragung des wahren Willens (Wort oder Logos) in einer offenbarenden, bewussten und verständlichen Form an den Mystiker. Allerdings sollte man dieses Ereignis nicht mit einem einfachen Akt der göttlichen Einsicht verwechseln, da, wie der Terminus Theophanie impliziert, es sich um eine wahre Manifestation oder Erscheinung des Heiligen Einen handelt. Der Pfad der Magie muss in diesem Falle die Kunst der Mystik insoweit beinhalten, als die Offenbarung des eigenen Engels eine mystische Erfahrung ist.

Im Orden Astrum Sophia (bzw. Rosa Solis, Anm. d. Übersetzers) ist es für den Initiaten nicht ausreichend, ein ausgebildeter Magier zu sein, sondern er oder sie muss gleichermaßen Fähigkeiten in der Kunst der Mystik beim Anstreben der Adeptschaft entwickeln. Insofern dass Magie die Kunst der Schöpfung und direkten Expression des eigenen Willens ist, beinhaltet der mystische Pfad die komplementären Praktiken von Meditation, Gebet und der Entwicklung des intuitiven Geistes: Mystik ist der Pfad der Vereinigung; Magie ist die Expression des vereinigten Selbst. Obwohl mancher Mystik als inkonsistent mit „Hochmagie“ empfinden mag, wird eine tiefergehende Untersuchung ihre Schulung als in allen relevanten magischen Schulen und Orden integriert erweisen. Diese Schulung kann gewöhnlich in dem gefunden werden, was als die „Grundlagen-Praktiken“ eines Ordens bekannt ist, und sie kann vielfältige Stufen der Übung in Konzentration, Kontemplation, Visualisierung sowie der Entwicklung des Lichtkörpers beinhalten. Fortgeschrittenere Techniken, welche Magie und Mystik überbrücken, können ebenfalls Skrying, das Aufsteigen auf den Ebenen und die Kultivierung der magischen Persönlichkeit umfassen. In der westlichen Tradition ist dies letztgenannte so integral für den theophanischen Prozess, dass wir damit tiefergehend im Artikel über „die magische Persönlichkeit und der Heilige Schutzengel“[1] beschäftigen.

Komparative Quellen und Modelle

Dieses Journal erforscht die Mysterien der Phänomene der Kenntnis und Konversation des Heiligen Schutzengels mit einer näheren Betrachtung ihrer Dynamiken, Strukturen und verschiedentlichen Anwendungen, die zu ihrer Erreichung effektiv sind. Obwohl unserer Hauptfokus beim Rahmenmodell der hermetischen und ogdoadischen Traditionen der westlichen Mysterien liegt, kann man dieses Thema nicht erschließen, ohne sich auf andere Quellen und Traditionen zu stützen. Von jenen müssen wir die Blüte der Sufi Gelehrten des 12. und 13. Jahrhunderts und ihre Lehren anerkennen. Stark beeinflusst durch Hermes und die verwandten hermetischen Texte, schenkte eine Reihe von Mystikern Konzepten, Arbeiten und Einsichten das Leben, welche freimütig die profunden Tiefen, die Wirklichkeit und die Beziehung mit dem Geliebten Engel erforschten. Unter diesen Persönlichkeiten finden sich der Sufi-Mystiker aus dem 12. Jhdt., bekannt als Ibn Arabi (1165 – 1240), das hermetisch inspirierte Werk von Najmoddin Kobra (1145 – 1221) sowie Sohravardi (1154 – 1191). Bei letzterem spielten Hermes und die hermetische Philosophie eine zentrale Rolle in Sohravardi’s Werk und Erleuchtung [2]. Das Einbeziehen von Quellen verwandter Traditionen ist notwendig aufgrund des Mangels an umfassendem Material in der WMT allein. Während unsere Tradition adäquat in Bezug auf die Schlussfolgerungen erscheint, mangelt es ihr an fundierter Theorie und Methodologie. So braucht die WMT auch im Hinblick auf die sich entwickelnde Beziehung mit unserem Engel eine Modernisierung und klare Sprache. Wir sind so sehr an kryptische, geheime und mysteriöse Regeln um die Hochmagie herum gewöhnt, das Schüler dies als notwendig akzeptieren, um die Mysterien zu schützen – bzw. eigentlich den Schüler: Das meiste dieser Geheimniskrämerei ist völliger Unfug! Man fragt sich, ob die mystischen Taditionen der Sufis den Suchenden besser auf die Orientierung, die harte Arbeit und die für die göttliche Alchemie notwendige Disziplin vorbereiten; sicherlich halten sie nicht den Glamour und die Faszination bereit, welche die magische Kunst der WMT verspricht. Andererseits sollte man nicht annehmen, dass die WMT ohne Verdienste in diesem Bereich ist. Ein Beispiel bilden die hermetischen Texte [3], die sehr klar von diesen Mysterien sprechen und wie man den Logos oder göttlichen Geist verwirklicht. Wir haben ebenso dem Werk der heiligen Magie von Abramelin dem Magier, zahlreichen Werken von Aleister Crowley, Israel Regardie und im Besonderen, den Schriften von Denning und Phillips dafür zu danken, dass sie das Thema ins 21. Jhdt. und darüber hinaus getragen haben. Das letztere, zuerst veröffentlicht in „Triumph des Lichts“ in der „magischen Philosophie“, ist eine erstaunlich eloquente, persönliche und einsichtsvolle Arbeit über den heiligen Schutzengel („Divine Guardian“) und vergleichbare Literatur.

Im Hinblick auf die ogdoadische Tradition werden einige Parallelen aus ihrem System von drei Graden oder Hallen, wie sie auch genannt werden, verwendet, um die Natur der Suchwanderung zu erforschen. Wir hoffen wahrhaftig, dass eine objektive Untersuchung dieses Modells es als das organischste, wenn nicht sogar das effektivste System innerhalb der WMT erweisen wird. Idealerweise würden wir gerne die unsinnigen Ideen zerstreuen, dass das ogdoadische System eine Ableitung des Golden Dawn Systems sei. So schön wie der Golden Dawn Orden ist, Personen, die an dieser Theorie festhalten, zeigen einen deutlichen Mangel an initiatorischer Einsicht, und ich vermute ein Unvermögen, die grundlegenden Unterschiede der zwei Systeme zu verstehen.
Jedoch müssen wir auch diejenigen Gruppen die als Wicca oder Pagan definiert werden, in ihrer Verwendung des drei-Grade-Systems anerkennen. Sie, wie auch die hermetische Tradition, haben ihren Standard von uralten Quellen und Modellen der Initiation und der magischen Ausbildung übernommen. Obwohl ihre Arbeitsweisen sich weit unterscheiden mögen, haben doch die meisten eine einzigartige Integrität, die auf drei Stufen oder Graden basiert, welche historisch gesehen die ältesten und überdauerndsten intiatorischen Systeme sind. In jenen war es Tradition, die ersten beiden Grade dem zu widmen, welches die „geringeren Mysterien“ genannt wird, während der dritte Grad für die „höheren Mysterien“ reserviert wurde. Seit dem prä-christlichen Ägypten herrschte die initiatorische Triade die Mysterienschulen des antiken Griechenlands und legte den Grundstein für die moderne Freimaurerei.

Das Gradsystem und seine Arbeit

Der Astrum Sophia ist ein solarer hermetischer Orden, dessen primärer Zweck organisiert und gesteuert wird, um seinen Mitgliedern bei der Verwirklichung und Erfüllung der Kenntnis und Konversation ihres Heiligen Schutzengels beizustehen. Ferner ist er ein Orden der ogdoadischen [4] Tradition, die sich durch die Embleme des achtstrahligen Sterns der Regeneration und das fünffache Haus des Opfers auszeichnet: Symbole, welche im Herzen und den Werken des höheren göttlichen Selbst verwurzelt sind. Dieses höhere Selbst ist bekannt unter verschiedenen Titeln wie: Der heilige Schutzengel (Holy Guardian Angel – HGA), göttlicher Wächter, der Genius, Daimon, Geliebter, die Persona, oder manchmal auch einfach „der Engel“.

Das System der drei Hallen oder Grade, welches vom Astrum Sophia (OAS), dem Aurum Solis und der ogdoadischen Tradition im Allgemeinen verwendet wird, stellt ein einzigartig effektives Rahmenwerk/Gefüge bereit, um die Mysterien des göttlichen Wächters zu ergründen. Innerhalb der drei Hallen wird der Initiat Schritt für Schritt durch den Prozes der göttlichen Alchemie und somit in das gewaltige Herz der höheren Mysterien des Lichts geführt.

Die erste Halle markiert den Übergang des Initiaten von der alltäglichen Welt in das magische Reich der geringeren Mysterien. Nachdem er an die Schwelle geführt und seine Sicht wiederhergestellt wurde, spricht die Stimme des Lichts den Kandidaten mit „Kind der Erde und des Sternenhimmels“ an und markiert hierdurch den Eintritt in die neue Welt und das neue Leben des Initiaten. Hier beginnt die Reise zu den Mysterien des Lichts und die Einführung in die fünf heiligen Aspekte des heiligen Hauses der Gnosis. Dieser Schritt wird auch symbolisiert durch die Säule des Atems, welche die südliche Seite des Hauses des Opfers stützt: sie repräsentiert unter anderem die Wiederherstellung des Ruachs des Kandidaten. Man könnte fragen, warum der niedrigste Grad auf das Ruach und nicht auf das Nephesh fokussiert ist. Dies ist deshalb so, weil das Ruach der Zelebrant und Empfänger unseres Werkes ist und zuerst initiiert werden muss, um effektiv das Nephesh in den Mysterien leiten und führen zu können. Diese Dynamik zuerst anzugehen ist essenziell, da das Ruach des Kandidaten ein angemessener Mediator und Vehikel für die Mysterien der zweiten und dritten Halle werden muss.

Die zweite Halle, wahrscheinlich der magischste der Grade unserer Tradition, vermittelt den gesamten Umfang der geringeren Mysterien des Lichts. Dies beinhaltet eine umfassende Arbeit mit den Elementen, den planetarischen Kräften, dem Erwecken des Lichtkörpers, die Einweihung in die archetypische „Sternbild der Verehrten“ (Constellation of the Worshipped) und tiefere Verbindung mit den Kontakten der inneren Ebenen unserer Tradition. Zusätzlich wird der Magier in uralte Formeln eingeführt, um ihn weiter für die Welt der Hochmagie zu erwecken. Die erste und zweite Halle bilden somit das Fundament für die Suchwanderung nach dem göttlichen Wächter.

Die dritte Halle, diejenige des Adeptus, wird übertragen durch einen mächtigen Ritus, der Palingenesis – oder Ritus der Erhöhung – genannt wird. Dies ist ein profunder Schritt, welcher den Initiaten in die volle Erkenntnis und Gnade der höheren Mysterien trägt, und in der Folge, in den inneren Orden des Stella Gloriosa. Das Werk des neuen Adepten, falls Verwirklichung noch nicht erreicht wurde [5], beinhaltet die mystische Erfahrung der Kenntnis und Konversation des heiligen Schutzengels. Bei seiner Erfüllung, wird der Initiat nach unseren Maßstäben zum Adeptus Plenus oder vollen Adepten. Nach dem Ermessen der Oberhäupter des Ordens kann der Adept durch den Ritus der Ratification (Rite of Ratification) bestätigt werden. Zusätzlich kann der Adept in die Gilde des gleißenden/flammenden Rades (Guild of the blazing Wheel) des Stella Gloriosa berufen werden. Die Gilde des gleißenden Rades verkörpert die funktionalen Arbeiten und die Bruderschaft eines inneren und wiedereingesetzten Körpers des Ordo Astrum Sophiae. Die Gilde drückt sich aus durch die Riten des Temenos der Adepti sowie des Telesterions der Adepti der dritten Halle. Hierin inbegriffen sind Initiationsrituale, die mit der Formel des Hauses des Opfers in Bezug auf die dritte Halle verbunden sind, und die als eine vitale Progression von Sub-Initiationen innerhalb der eigentlichen dritten Halle [6] betrachtet werden.

Diese Grade sind besonders eingestimmt auf die inneren Arbeiten des Stella Gloriosa sowie die tiefgreifende innere Alchemie des Adepten und der Tradition als Ganzes. Im folgenden eine Zusammenfassung des ogdoadischen Gradsystems und der Prinzipien des kabbalistischen Lebensbaumes [7].

0. Proband (Probationer) ist kein Grad, sondern der Status eines Probanden oder Prä-Initiaten. Diese beginnen, die wichtige Arbeit des Pronaos aufzunehmen: Jemand der, da er vorbereitet ist, an der Schwelle der ogdoadischen Mysterien steht.

1. Neophytos (Neophyte), dessen vollständiger Titel Neophyt des Großen Werkes lautet: Initiation in diesen Grad wird in der ersten Halle gewährt und wird auf dem Lebensbaum durch Malkuth repräsentiert.

2. Servitor (Server), dessen vollständiger Titel Diener der geheimen Flamme lautet: Initiation in diesen Grad wird in der zweiten Halle gewährt. und wird auf dem Lebensbaum durch Yesod repräsentiert.

3. Adeptus Minor (Adept), dessen vollständiger Name Priester der Gnosis lautet: Dieser Grad wird auf dem Lebensbaum durch Tiphareth repräsentiert. Da er dem inneren Orden oder den Höheren Mysterien angehört, ist seine Bedeutung in sich selbst vollständig.

Diese Grade korrespondieren mit dem Haus des Opfers in der Form von:

1. Der Dyade – die zwei Säulen, mit der ersten, Nomothetes, der männlichen Säule die sich auf das Ruach und auf die erste Halle bezieht. Die zweite Säule, Machetes, da weibliche Prinzip, das auf die zweite Halle und das Nephesh bezogen ist.

2. Der Triade – bezieht sich auf die supernalen Sephiroth, die dritte Halle sowie auf das Neshamah, den heiligen Schutzengel (HGA).

Die Kabbalah und ihre Konzepte

Die Gestaltungen, Konzepte und Symbole in diesem Journal werden zugänglich gemacht über die Rahmenkonzepte und Terminologien verschiedener Systeme, darunter: Die Westliche Mysterien Tradition, die Ägyptische Theorie der Seele und der Transzendenz, das hinduistische Gedankengut der Guru Gita sowie die die Ideen der Sufis aus dem mittleren Osten. Wann immer möglich, wird die Kabbalah der WMT dazu genutzt um eine vertraute und überzeugende Sprache bereitzustellen, um unser Thema zu ergründen. Das Folgende ist eine Zusammenfassung der grundlegenden Prinzipien des kabbalistischen Lebensbaumes sowie der Ebenen der Seele, welche für unseren gegenwärtigen Zweck wesentlich sind.

Die Vier Welten

Der Lebensbaum ist in vier Welten aufgeteilt, welche für den Zweck der vorliegenden Arbeit als Reiche bezeichnet werden, welche die Seele bewohnt. Die Welten stellen auch ein gut etabliertes Rahmenkonzept sowie einen Kontext bereit um die Arbeit des Engels zu ergründen. In absteigender Reihenfolge werden sie als Aziluth, Briah, Yetzirah und Assiah benannt.

Diese vier Welten korrespondieren mit dem göttlichen Namen Yod Heh Vav Heh (YHVH) und repräsentieren diesbezüglich Feuer, Luft, Wasser und Erde. Die ersten drei Welten setzen sich aus Triaden von Sephiroth zusammen, welche in Malkuth (gleichzusetzen mit der ierten Welt) kulminieren, welche sich wie ein Anhängsel am unteren Ende des Lebensbaums hängt. Jede Welt ist eine Spiegelung der Welt darüber und repräsntiert das Bewusstsein, welches sich in immer größeren Dichten manifestiert.

Atziluth

Die erste Welt, Atziluth, ist die archetypische Welt, welche mit dem hebräischen Buchstaben Yod und dem Element des uranfänglichen Feuers assoziiert wird. Atziluth umfängt die supernale Triade auf dem Lebensbaum, welche mit Kether, der Krone, der archetypischen Monade, bzw. dem Geist, beginnt. Kether bringt sich zum ersten Mal in der zweiten Sephirah, Chokmah (Weisheit) zum Ausdruck, dem archetypisch männlichen Prinzip. Auf Chokmah folgt die dritte Sephirah, Binah, das archetypisch Weibliche.

Zusammen bilden diese drei Sephiroth die supernale Triade des Göttlichen, von welchem die drei emanierenden Welten Spiegelungen sind. Solchermaßen wird die Welt Briah (die erste geschöpfte Welt) von der archetpischen Welt in Atziluth, wie eine Spiegelung auf dem Wasser reflektiert. Diese Abtrennung verursacht die Bildung eines Abgrundes (Abyssos) zwischen den beiden Ebenen des nicht-manifesten (Atziluth), und dem was manifest wird – anders: Sein und Werden. Atziluth ist damit das reine Reich des Geistes, welches die Sephiroth und die drei niederen Welten hervorbringt.

Briah

Die zweite Welt, Briah, ist die Welt der Schöpfung, welche mit dem hebräischen Buchstaben Heh und dem Element des uranfänglichen Wassers assoziiert wird. Die briatische Domäne umfasst die vierte Sephirah Chesed (Gnade/ Mercy), die fünfte Sephirah Geburah (oder Strenge/Severity) sowie die sechste Sephirah Tiphareth (oder solare Schönheit). Zusammen formen sie die Harmonie des schöpferischen Bewusstseins innerhalb dessen, was als das Raum-Zeit-Kontinuum bekannt ist. Diese Triade zeigt auf, dass das göttliche uranfängliche Feuer von Atziluth sich unterhalb des Abyssos in den klaren uranfänglichen Wassern der Schöpfung zum Ausdruck bringt. Diese Welt der Schöpfung wird auch als „das Universum der Throne“ bezeichnet. Es ist somit der Thron der Mach und der Gnade des Heiligen Lichts, welches von oben emaniert: das innerste Herz des Weltensystems und ein primärer Ort für das Ruach. Briah wird auch als das Reich der Erzengel und des reflektiven imagninativen Geistes betrachtet, welcher zuerst ursprünglich in Atziluth gezeugt wurde.

Yetzirah

Die dritte Welt, Yetzirah ist die Welt der Formbildung, welche mit dem hebräischen Buchstaben Vau und dem Element der ursprünglichen Luft assoziiert wird. Yetzirah wird durch die siebte Sephirah Netzach (oder Sieg, Victory), die achte Sphirah Hod (oder Glanz, Glory) und die neunte Sephirah Yesod (oder Fundament, Foundation) gebildet. Diese drei Emanationen (oder Ausströmungen) bilden die Kräfte der Empfindung, des Verstandes bzw. des Bildes (der Imago, das astrale Licht). Dies ist die Ebene der Engel. Als niederste Triade auf dem Lebensbaum repräsentiert diese den Zusammenhalt der Energien und Strukturen, die von der briatischen Ebene oberhalb herabsteigen. Wenn die drei Elemente in Yesod zusammenkommen, bilden sie eine dynamische Alchemie und dadurch das der Manifestation zugrundeliegende Fundament, welches in der kristallinenen Welt von Assiah resultiert. Yetzirah ist die Welt des astralen Lichts, worin Ideen, Bilder und Muster anfangen Gestalt anzunehmen. Diese unermessliche Weite enthält all die Energien und Eindrücke der höheren Ebenen und ist daher ein unerlässliches Bindeglied zwischen unserem weltlichen Leben in Assiah und der geistigen Welt von Briah.

Assiah

Die vierte und letzte Welt ist diejenige von Assiah, die Welt der Handlung. Assiah wird nur durch die zehnte Sephirah Malkuth, dem Königreich, repräsentiert. Assiah korrespondiert mit dem hebräischen Buchstaben des Heh am Ende, welcher symbolisch die Kombination der Elemente repräsentiert, die sich im Element der ursprünglichen Erde manifestieren. Sie ist die geschöpfte Welt der physischen Elemente, das manifeste Universum. Hier wohnt der physische Körper, die Umgebung in welcher er operiert und von der aus wir aufsteigen.

Die Ebenen der Seele: Der Göttliche Wächter und seine Funktionen

Es gibt drei große Unterteilungen der Psyche in der esoterischen Philosophie. Diese sind:

1. Das Neshamah oder die höhere Seele, welche mit Atziluth und Briah korrespondiert.
2. Das Ruach oder die rationale Seele, welche mit Briah und Yetzirah korrespondiert
3. Das Nephesh oder die niedere Animalseele, welche mit Yetzirah und Assiah korrespondiert.

Das Neshamah

Das Neshamah ist der Überbau der Psyche, der sich aus den drei archetypischen Prinzipien zusammensetzt, welche durch Kether, Chokmah und Binah repräsentiert werden. Das Kether Prinzip wird auch Yechidah genannt und ist die höchste, undifferenzierte Qualität des Geistes welche als reines unausgedehntes Bewusstsein existiert: dies ist gleichbedeutend mit Der Einheit. Als das „ICH BIN“ reicht die Yechidah nach Chokmah als Chia. Chia ist die individuelle Lebenskraft und der Wille einer Einzelseele und daher der erste Ausdruck seines Wortes oder seiner Natur – des Logos. Binah ist die dritte und formbildende Kraft der Supernalen (Überirdischen). Als die höhere intuitive Seele oder Große Mutter, welche alle vorhergehenden Kräfte enthält, ist sie das eigentliche Neshamah. Das Neshamah beginnt den Prozess der Formgebung und der Definition durch den das Selbst als einzigartig unterschieden werden kann – jedoch unbegrenzt in möglichem archetypischen Ausdruck. Neshamah als Binah oder Verstehen ist gleichermaßen das Verstehen wie der Geist sich selbst auf verschiedentliche archetypische Weisen ausdrücken und sich dabei im Prozess der Selbsterkenntnis immer weiter verstehen lernen kann.

In psychologischen Begriffen korrespondiert das Neshamah mit dem überbewussten intuitiven Geist. Es wird gelgentlich mit Freuds Überich verwechselt, welches durch äußere Einflüsse durch einen Prozess namens Introjektion gebildet wird. In Beziehung zum Ruach fungiert der überbewusste Geist, welcher in Binah thront, als der archetypische Geist in Gestalt des Engels (HGA) oder Genius. Dieser „Engel des Lichts“ in der kabbalistischen Literatur ist in gewisser Weise die göttlich weibliche Shekhina oder überirdische Mutter, welche mit der Gnostischen Sophia oder Seele der Weisheit identisch ist. Da jedoch das Neshamah alle großen Formen von Archetypen nährt ist auch der Adam Kadmon, das archetypisch männliche bzw. der Agathodaimon dort ansässig. Ich sage ansässig, weil das Neshamah einer Person an und für sich nicht durch den Heiligen Schutzengel definiert wird. Gerade so wie viele Menschen in einem großen Haus oder einer Stadt leben mögen, kann ein individuelles Neshamah mehr als eine Engel zugleich beherbergen und hervorbringen. Da es sich oberhalb des Abyssos befindet, ist es notwendig zu verstehen, dass der Engel als Gesandter des Neshamah als lebendige und dynamische Präsenz existiert, welcher das unsterbliche Reich des spirituellen Daseins bewohnt. Es liegt auch in der Natur des Neshamah, die Einsicht, den Trieb und die Gestaltung der Selbstverwirklichung durch seinen himmlischen Abgesandten zu enthalten und vermitteln. Aus diesem Grunde heißt es im Allgemeinen, dass das Bewusstsein, wie Vereinigung mit dem Selbst erreicht werden kann, als Teil der Kenntnis und Konversation mit dem Engel offenbart wird.

Wenn das Neshamah sich zum Zwecke der Erfahrung und des Selbstausdrucks unterhalb des Abyssos projiziert, bildet es die zweite Ebene der Psyche in Form des Ruach. Das Ruach ist der Spiegel des Neshamah, welcher sich in den schöpferischen Wassern der briatischen Welt reflektiert. Als ein Ergebnis dieses Abstiegs verliert das Ruch seine Erinnerung an seine göttliche Natur und wird theoretisch als von der Gnade abgefallen betrachtet. An diesem Punkt erscheint zwischen dem Neshamah und dem Ruach in der Struktur des Lebensbaumes eine „Schattensephirah“, die Da’ath oder Wissens genannt wird. Jedoch ist Da’ath auch eine Brücke (es existiert nicht „wirklich“), wodurch Verstand des Ruach schließlich dahin kommen kann, den Engel durch persönliche Alchemie und okkultes Wissen vom Selbst zu verstehen.

An diesem Punkt markiert der Anfang der Versöhnung zwischen Neshamah und Ruach eine wichtige Stufe im Großen Werk.

Das Ruach

Das Ruach, oder die rationale Seele, wird durch die Sephiroth Chesed, Geburah, Tiphareth, Netzach und Hod gebildet. Die obere Region des Ruach überlappt mit dem Neshamah bei Da’ath und unterhalb mit dem Nephesh bei Yesod. Das Ruach ist die rationale inkarnierte Seele, welche sich, als vom Neshamah verbannt erscheinend, in der temporalen Welt integrieren muss, ohne ihre Kohäsion zu verlieren. Einmal unterhalb des Abyssos muss sie auch nach besten Kräften eine Unmenge an weltlichen und transzendenten Funktionen leisten, welche für das blanke Überleben und die Vereinigung mit seiner göttlichen Quelle benötigt werden.

Das Herz des Ruach liegt in Tiphareth, und es ist hier, wo das persönliche Ich, oder der Sitz der Identität im bewussten Geist liegt. Als die Seele im Mittelpunkt der Psyche wird es der Vermittler zwischen dem göttlichen Überbewusstsein und dem niederen Selbst. Als das persönliche Ich funktionierend, und als der Kern der inkarnierten Identität, organisiert es kontinuierlich das Feld der Erfahrung eines Menschen und versucht dieses zu verstehen. Aufgrund dieser Dynamik wird das Ruach die Seele des Verstandes genannt. Zusätzlich zur Vermittlung unseres intuitiven Überbewusstseins und unseres instinkthaften unbewussten Selbst, ist das Ruach noch dafür verantwortlich, unsere internalen und externalen Wirklichkeiten zu verstehen.

Das Nephesh

Das Nephesh oder die Animalseele wird Yesod zugeschrieben – der Sphäre des Mondes und der Reflexion. Innerhalb der Psyche hat das Nephesh innige Beziehungen mit dem Ruach und dem Körper. Diese Position bringt ihre eigene Zusammenstellung an Komplikationen im Nephesh und in der Folge im Rest der Psyche mit sich, welche unterhalb des Abyssos lebt.

So wie persönliche Neurosen in der Psyche gebildet werden, verstärken Versagung und Verdrängung eine Form des Dualismus, wodurch sie die Natur des Nephesh spalten. Daher kann das Nephesh durch Unwissenheit und Furcht zurückgewiesen werden. Jede wirksame Form von Tiefenpsychotherapie oder magischem System wird danach streben diese Schattenseite zu verstehen und zu integrieren, um ihre gewaltige interpsychische Energie und ihre reiche innere Symbolik nutzbar zu machen (und sie somit in ihre ursprüngliche Ausrichtung zurückzuführen). Im Lichte dessen ist es weise, sich daran zu erinnern, dass das Nephesh die geringere Shekhina und deshalb mit Binah bzw. dem Neshamah als okkultes Tor zum Engel verbunden ist [8].

Das Nephesh ist der am häufigsten geschmähte Aspekt der Psyche – und der am meisten missverstandene. Auf der einen Seite hat es eine ursprüngliche Kraft und Schönheit, welche für das Leben eines jeden Einzelnen essenziell ist, der sich dem Großen Werk widmet. Auf der anderen Seite jedoch enthält das Nephesh unbewusste Impulse, die häufig dem wahren Willen und seinem Werk entgegenstehen (das „Es“ in Freuds Persönlichkeitstheorie). Man kann nicht das Schatten-Selbst [9] verleugnen und magisch wachsen.

Das verdrängte Material im Unbewussten muss irgendwann zum bewussten Brennstoff für den Kessel unserer Alchemie statt ein lauernder Schatten der Furcht werden. Dies ist ein Grund warum wir potenzielle Magier ermutigen, sich einer Form der Psychotherapie oder Analyse als Teil ihres magischen Trainings zu unterziehen.

In gewisser Hinsicht ist das Nephesh wie ein treuer Hund, der sein eigenes Leben riskieren würde, um seinen Herrn zu retten (Anubis ist eine Schutzgottheit des Nephesh). Als solches ist seine Natur an sich wohlmeinend, treu und schöpferisch; jedoch wird mit großer Wahrscheinlichkeit selbst das ausgeglichenste Wesen aus dem Gleichgewicht geraten, wenn es von jemandem, der sich als seinen Herrn ausgibt abgelehnt, ausgehungert und geschlagen wird. Meistens ist es das rationale Selbst also, welches zu Ignoranz und Grausamkeit fähig ist – nicht das niedere Selbst. Das Ruach oder rationale Selbst sollte also als mitwirkender Faktor bei der Bildung des unerkannten Schattenkomplexes betrachtet werden.

Das G’uph

Das G’uph ist ein Begriff, welcher verwendet wird, um den physischen Körper und seine Verbindung zum Geist zu beschreiben. Im Mikrokosmos nutzt das Nephesh die Sinnesorgane und das autonome Nervensystem, als Pfade innerhalb unserer Körper-Geist-Matrix. Damit meine ich, dass der Körper und der Geist als funktionale Erweiterungen voneinander operieren und nicht vollständig voneinander getrennt werden können, während sie sich in einem irdischen Träger befinden. Das G’uph ist damit eine authentische Ebene der Psyche – wenngleich eine manifeste, welche sehr wohl den Namen „Tempel des Geistes“ verdient.

Zusammenfassung

Es ist ein verbreiteter Fehler, anzunehmen, dass zwischen den Sephiroth, den Welten und den Ebenen der Psyche scharfe Trennungen existieren. Da der Lebensbaum ein intrinsisch harmonisches und interaktives System von Energien widerspiegelt, bietet die Erwägung wo und wie diese Unterschiede verschmelzen, einen wertvolles Zugang zu theoretischer und praktischer Anwendung. Beispiele dafür können bei Da’ath im Abyssos gefunden werden, und in Yesod, wo die niederen und mittleren Ebenen der Psyche zusammenkommen. Obwohl dieses Überbrücken im Allgemeinen mehr den verbindenden Pfaden und den Platzierungen der Tarot Trümpfe zugeschrieben wird, ähneln die härteren Unterscheidungen, den Elementen, wie sie auf der Erde zusammenkommen. Man stelle sich dies wie eine Wassermenge vor, die unter harter Erde ruht. Hier würde man harte Partikel im Wasser schwebend finden und zugleich Grundwasser unterhalb der harten Oberfläche. Dies legt ein mehr interaktives Modell der Psyche nahe, im Gegensatz zu einem mit rigideren Unterteilungen.

Die Kenntnis und Konversation des heiligen Schutzengels

… ist der direkte bewusste Kontakt zwischen dem Neshamah und dem Ruach, in dem due wahre Natur, der Logos, oder die Bestimmung des Individuums offenbar wird. Das ist der Anfang der Arbeit des Adepten, nicht das Ende!

Anmerkungen

[1]: Ein umfassender Text: „Der Heilige Schutzengel: Seine Queste und Erfüllung“, ist für eine spätere Ausgabe durch die Leiter des Ordens geplant.

[2]: Siehe The Man of Light in Iranian Sufism von Henry Corbin

[3]: Siehe The Corpus Hermeticum, „The Sermon on the Mount“

[4]: Acht ist die einzige Zahl, die kontinuierlich und regenerativ ist; das Symbol des Hermes, und die Lemniskate der Unendlichkeit.

[5]: The formal elevation of the Adept is not necessarily a prerequisite to his or her attainment. For such an individual, the Palingenesis will serve to further strengthen and consummate the Gnosis. Die formale Erhebung des Adepten ist nicht notwendigerweise eine Vorbedingung für seine oder ihre Verwirklichung. Für eine solche Person wird die Palingenesis dazu dienen, die Gnosis weiter zu störken und zu vollenden.

[6]: Diese Grade, die dem O.A.S (Astrum Sophiae) exklusiv sind, sind:

  1. Der Heilige: Ritus des Temenos der Adepti – Phase 1
  2. Die Krone der Flamme: Ritus des Telesterion – Phase 1
  3. Der Erstgeborene: Ritus des Telesterion – Phase 2
  4. Die Sonne in der Nacht: Ritus des Telesterion – Phase 3
  5. Das Feuer des Naos: Ritus des Telesterion – Phase 4
[7]: Siehe: Aurum Solis: Initiation Ceremonies and Inner Magical Techniques von Osborne Phillips.

[8]: Der Ritus der Integration der Zweiten Halle ist brilliant gestaltet, um diese profunden Dynamiken zu fördern.

[9]: Der Schatten ist ein Begriff von C. G. Jung, um das spiegelbildliche Gegenteil dessen, was wir zu sein meinen, zu beschreiben, welches unter die Oberfläche des Bewusstseins verdrängt wurde.