Dieser Artikel erschien ürsprünglich unter dem Titel „Exploring the House of Sacrifice – Beyond Sephirotic Correspondences“ von Suzanne Savage im Ogdoadic Journal Vol. 1, Issue 1. Die englische Originalversion findet sich hier. Übersetzung durch: Citadel of Pharos.

 

Das Haus des Opfers ergründen – jenseits sephirotischer Korrespondenzen

Von Suzanne Savage

Abbildung 1: Das Haus des Opfers

Das Haus des Opfers ist ein einzigartiges Symbol im Herzen der Ogdoadischen Tradition. Es wird dargestellt als zwei Säulen, die eine Triade tragen (ein dreieckiges Tympanon, um genau zu sein), wie in Abb. 1 angezeigt. Weil sehr wenig über die Korrespondenzen dieser mächtigen, fünffachen Formel veröffentlicht wurde, macht sich dieses Papier auf, einige Aspekte ihrer inneren Symbolik zu ergründen. Um dies zu bewerkstelligen, werden wir den Calyx und den Ritus der Induktion untersuchen, die uns beide viele Hinweise auf die Natur der Fünf Prinzipien geben. Auf dem Weg werden wir erkennen, dass viele der primären kabbalistischen Assoziationen, welche für das Haus des Opfers genannt werden, erweitert werden müssen, um den Reichtum seiner Symbolik zum Ausdruck zu bringen.

Zu Anfang ist es notwenig, zuerst die primären kabbalistischen Assoziationen, die für das Opferhaus genannt werden, zu untersuchen. Dies werden in Tabelle 1 aufgezeigt. Diese Korrespondenzen können nachvollzogen werden, wenn man das Haus des Opfers auf den kabbalistischen Lebensbaum legt, wie in Diagram 2 geschehen.

Auf einer Ebene, gibt uns diese Zuordnung ein direktes und nützliches Set an Korrespondenzen. Aber es wäre ein Fehler, die Analyse auf dieser oberflächlichen Ebene zu belassen; will man das Haus des Opfers in seiner ganzen Tiefe erfahren, muss man weiter gehen. Wenn man sich Diagramm 2 genau ansieht, werden verschiedene Probleme auffällig. Zum Beispiel scheint es, dass die Mittlere Säule weitgehend aus dem Haus des Opfers ausgeklammert ist. Weiter ist Dike im

Abb. 2: Das Opferhaus über den Kabbalistischen Lebensbaum gelegt

Ogdoadischen System als das „Prinzip der Gerechtigkeit“ bekannt. Diese Benennung funktioniert gut innerhalb des Opferhauses, aber wenn wir die Entsprechung auf dem Lebensbaum untersuchen, finden wir, dass der Titel „Gerechtigkeit“ zu Geburah, und nicht zu Binah gezählt wird, mit der Dike korrespondiert. Hier geschieht klar etwas Komplexeres als eine einfache eins-zu-eins Entsprechung.

Denning und Phillips betonen denselben Punkt bei ihrer Diskussion der Korrespondenzen des Sternbilds der Verehrten: „Während die Prinzipien des Sternbilds zurecht in ihrer primären Assoziation mit bestimmten Sephiroth betrachtet werden können, sollten sie doch nicht als auf diese Aspekte begrenzt betrachtet werden.“ [Betonung durch die Autorin] [1]. Derselbe Rat sollte auch auf die Korrespondenzen des Opferhauses angewendet werden. Wir können die Kabbalah in unserem Ogdoadischen System als ein Werkzeug zur Analyse verwenden, aber die Hauptsymbole wie das des Opferhauses und die Archetypen des Sternbilds der Verehrten sind unglaublich reichhaltig und existieren aus sich heraus, unabhängig von der Kabbalah. Sie bilden ihr eigenes einzigartiges magisches System, welches ein gut Teil an Studium und Meditation verdient, um vollständig erfasst zu werden.

Denning und Phillips illustrieren diesen Punkt weiter mit Beispielen aus dem Sternbild: „Leukothea ist die göttliche Kraft von Binah, aber sie ist auch die Säule der Strenge und besitzt Aspekt , welche sie mit den Sephiroth Netzach, Yesod und Malkuth [2] verbinden.“ Somit kann eine einfache, geradlinige Korrespondenz von Leukothea mit nur einer Sephirah nicht einmal im Ansatz den Reichtum ihrer vielen Aspekt vermitteln.

Tabelle 1: Primäre kabbalistische Korrespondenzen des Opferhauses

Im Kontext des Opferhauses ist es somit eine nützliche Übung, einige der anderen Korrespondenzen zu ergründen, um unser Verständnis dieses potenten fünffältigen Musters zu vertiefen. Wir können den Bedarf, dies zu tun weiter erhellen, indem wir den Calyx untersuchen.Auf den ersten Blick erscheint der Calyx vielen als nichts weiter als eine griechische Version des traditionellen kabbalistischen Kreuzes. Aber werfen Sei einen genauen Blick auf Tabelle 2 unten:

Wenn man sie genau studiert, wird man womöglich verwirrt und denkt vielleicht sogar, sie sei falsch. Wie für viele andere auch, welche den Calyx einfach mit dem Kabbalistischen Kreuz gleichgesetzt haben, scheinen die letzten beiden Spalten der Tabelle einander zu widersprechen. Aber greifen Sie zurück auf Tabelle 1 und Abbildung 2. Dieses einfache Übereinanderlegen des Opferhauses und des Lebensbaumes beschert uns genau diese Korrespondenzen. Zum Beispiel zeigt es uns Pneuma als die Säule der Gnade. Wenn das tatsächlich wahr ist, wie kann dann Pneuma der Ausruf „EI“ zugeordnet sein, der kabbalistisch mit Kether verknüpft ist?

Tabelle 2: Der Calyx und offenbar widersprüchliche Korrespondenzen zwischen dem Opferhaus und dem kabbalistischen Kreuz

Hierin liegt ein großes Mysterium verborgen und die Notwendigkeit, mit unserer Analyse tiefer zu reichen. Gehen wir dazu über die verschiedenen Prinzipien im Einzelnen zu untersuchen. Dadurch wird der Reichtum des Opferhauses entdeckt, und die Mysterien, welche im Calyx zum Ausdruck kommen, zumindest teilweise offenbar werden.

Die Dyade

Das Haus des Opfers hat zwei Säulen (siehe Abb. 1). In unserem Ogdoadischen System wird die rechte Säule als Nomothetes, „Der Gesetzgeber“ bezeichet und repräsentiert das Prinzip von Pneuma. Die linke Säule ist Machetes, „Der Krieger“ und repräsentiert das Prinzip von Sarx. Diese beiden Prinzipien werden unten genauer erläutert.

Pneuma – Atem

Wie in Abb. 2 dargestellt, ist Pneuma als eine Säule im Haus des Opfers leicht mit der kabbalistischen Säule der Gnade zu assoziieren. Aber die Symbolik ist viel komplexer als diese einfache Entsprechung. Wir können Pneuma ebenfalls als den elften Pfad, von Kether nach Chokmah betrachten, welcher der erste Atem der Gottheit beim Schöpfungsakt ist. Sobald die Energie von Kether diesen Pfad entlang abwärts läuft, wird die Schöpfung initiiert und die atziluthische Welt gebiert die briatische. Dies ist das absteigende HA, die Wirkung des Ruach Elohim (des Geistes Gottes) auf das Universum. Deswegen wird im Calyx das Prinzip von Pneuma zuerst in der Visualisierung der Corona Flammae und dem Ruf des „Du“ zum Ausdruck gebracht. Dass Pneuma in direkter Verbindung mit der Corona steht, spiegelt sich auch im Ritus der Induktion, wenn der Magus drei aufgeladene Anhauchungen der Krone des Aspiranten überträgt und somit das Sakrament des Atems bekräftigt.

Eine Säule wird definiert als „eine vertikale Struktur, die verwendet wird, um eine Superstruktur zu tragen“ [4], und im Haus des Opfers finden wir, dass dieser Atem tatsächlich eine Säule ist: ohne ihn, kann der Rest unserer psychischen Welt nicht existieren. Als der Anfang, trägt er [der Atem] alles. (Natürlich tut er dies nicht allein; die Beziehung zwischen Pneuma und Sarx wird im nächsten Abschnitt behandelt). Aber es ist merkwürdig, dass wir beim Atem als dem elften Pfad an ein Absteigen in die Schöpfung denken, während der Atem, als Säule verstanden, als tragendes Element dient. Der Unterschied zwischen beiden Arten, Pneuma zu verstehen bietet ein interessantes Feld für Meditation.

Obwohl dies übermäßig vereinfacht, verstehen wir im Allgemeinen den Lebensbaum als Glyphe der Schöpfung: Der Atem initiiert die Schöpfung und alles andere folgt nach. Umgekehrt zeigt die Glyphe des Opferhauses wie wir, Wesen dieser Schöpfung, wie ein Kelch sind, der durch diesen Akt gefüllt wird. Unser Sein und unser Fundament beginnt mit dem Atem des Pneuma, und wir fahren fort, von dan unser Haus des Seins zu errichten. Im Wesentlichen betont das Haus des Opfers den Pfad der Rückkehr [5]. Es ist die mikrokosmische Karte des Aufstiegs der Psyche. Wenn wir über die Kabbalah hinaus gehen, können wir Pneuma auch im Kontext der Alchemie betrachten, wo es mit Merkur und der Seele assoziiert werden kann. Dieser alchemistische Bezug betrachtet Pneuma näher in seiner Rolle als Repräsentant des Ruach [6], nicht so sehr als Initiator, sondern als lenkendes Agens des alchemistischen Prozesses [7]. Schließlich erinnert uns Merkur an die Beziehung zwischen Pneuma und dem Geist, was zugleich Hod ins Bewusstsein ruft.

Sarx – Körper

Wiederum mit Verweis auf Abbildung 2 sehen wir die primäre Entsprechung zwischen Sarx und der Säule der Strenge. Aber als Prinzip des Körpers ist Sarx auch die Manifestierung aller schöpferischen Energien welche ihm vorausgehen. Auf diese Weise steht Sarx in einer engen Beziehung zu Malkuth. Wir können Pneuma am Anfang des Lebensbaumes auf dem elften Pfad in seiner Rolle als Initiator betrachten und Sarx, am untersten Ende, als Empfänger. Dies kommt sehr deutlich im Calyx zum Ausdruck, wenn das Licht der Corona Flammae durch den Körper nach unten gezogen wird und „das Reich (He Basileia) vibriert wird.

In diesem Sinne ist Sarx die Braut von Malkuth. Aber wir dürfen die Beziehung zwischen ihr und der Großen Überirdischen Mutter von Binah nicht vergessen. „Malkuth sitzet auf dem Throne von Binah“. Die Manifestation, welche durch Malkuth repräsentiert wird, wird zuerst durch die Begrenzungen des Saturn gezeugt der in Binah zu finden ist. Wir können hier des weiteren die Resonanz mit Sarx finden: Während Binah normalerweise mit Dike in der Suprastruktur des Opferhauses assoziiert wird, müssen wir uns erinnern, dass Binah zugleich auch die erste Sephirah der Säule der Strenge ist. Und, nicht weniger wichtig, Sarx als Sitz des Nephesh birgt starke Assoziationen mit Yesod und Malkuth gleichermaßen.

In mancherlei Hinsicht ist es schwierig, Sarx für sich genommen zu untersuchen; diese Säule existiert als Dualität mit Pneuma. Zusammen tragen sie die Dreifältige Suprastruktur (das Dreiecks-Tympanon aus Dike, Eleos, Kudos). Diese beiden müssen in die richtige Balance gebracht werden, damit der Aspirant weiteren spirituellen Fortschritt erzielen kann. Somit ist Pneuma männlich, weiß und regiert die mental-rationalen Funktionen (Ruach), während Sarx weiblich ist, schwarz und die emotional-instinktiven Fähigkeiten regiert (Nephesh). Diese beiden Säulen sind von immenser Bedeutung beim Emporhalten unserer Aspirationen, welche durch die Suprastruktur repräsentiert werden, die von ihnen getragen wird.

Die Polaritäten von Pneuma und Sarx zu ergründen, bietet ein weiteres fruchtbares Feld für Meditation. Jedoch um im Rahmen dieser Studie zu bleiben, können wir abschließen, indem wir die Resonanz von Pneuma’s rationaler Struktur mit der Sephirah Hod beachten (welche natürlich auf der andern Säule, der Säule der Strenge zu finden ist), gleichsam wie Sarx’ Ergiebigkeit im Hinblick auf Netzach (wiederum auf der gegenüber liegenden Säule, der Säule der Gnade).

Alchemistisch betrachtet, korrespondiert Sarx mit dem Prinzip Sal und dem Körper. Dies spiegelt sich im Ritus der Induktion, wenn Salz als Sakrament von Sarx dargeboten wird. Salz ist die dritte himmlische Substanz und repräsentiert reine materielle Existenz in ihrem erhabensten Zustand, gleichsam wie die Wirkung des Gedankens auf die Materie. Hier sehen wir wieder das Ruach des Pneuma in seiner Rolle als Dirigent des Nephesh von Sarx.

Die Überirdische Triade

Die zwei Säulen des Opferhauses werden gekrönt von der dreieckigen Struktur von Dike, Eleos und Kudos (s. Abb. 1). Gemeinsam repräsentieren diese den Geist, wobei ein ein jedes eine andere Facette desselben manifestiert. Sobald die fundamentalen Fähigkeiten von Pneuma und Sarx in der Psyche des Aspiranten in die richtige Balance gebracht sind, können die Aspirationen des Geistes beginnen, sich durch diese Suprastruktur zu manifestieren. Die Triade kann auch als Sulphur repräsentierend betrachtet werden, die erste himmlische Substanz, welche die alchemistische Sonne ist. Wiederum mit Verweis auf Abb. 2, sehen wir dass die Triade im Allgemeinen mit Binah, Chokmah und Kether assoziiert wird.

Dike – Gerechtigkeit

In Dike begnen wir der großen mütterlichen Macht des Geistes, der Heiligen Sophia, welche der materiellen Welt Weisheit und Verstehen bringt. Dike repräsentiert die Prinzipien der Formgebung und Begrenzung. Wie in Abb. 2 gezeigt, wird dieses Prinzip oft mit Binah assoziiert. Während Sarx, der Körper mit der Säule der Strenge korrespondiert, thront Binah auf dieser Säule. Dike beansprucht den Titel „Gerechtigkeit“, welcher einer der Titel der Sephirah Geburah ist (die sich auf derselben Säule unterhalb von Binah befindet). Saturn korrespondiert mit Binah und dennoch ist Dike eine eigenartige Mischung sowohl des formativen Aspekts von Saturn wie auch des feurigen marischen Aspekts der Sephirah Geburah, deren Titel Dike beansprucht. Bitte beachten Sie, dass in einigen Elementar-Werken Dike den Platz des Feuerelements [8] einnimmt. Dieser Feuer-Aspekt wird im Calyx widergespiegelt, wenn die rechte Schulter berührt und „Kai He Dynamis“ (und die Kraft) vibriert wird, während man Mars im Bewusstsein hält.

Jedoch ist in Dike Gerechtigkeit nichts Kriegerisches, das von Ares verbreitet wird. Statt dessen können wir Gerechtigkeit verstehen, wie sie von Athene ausgeübt wird, die eine wilde Kriegerin und zugleich die Göttin der Weisheit ist. Ma’at ist eine weitere Göttin, die man hier in Betracht ziehen sollte: Sie repräsentiert ebenfalls Gerechtigkeit, aber nicht in einer strafenden Weise; statt dessen ist sie das Symbol der rechten Ordnung des Universums, eine kosmische Gerechtigkeit oberhalb der menschlichen Moralität.
Es ist ebenfalls vernünftig, zu erwähnen, dass das Sternbild der Verehrten ebenso Entsprechungen mit der Göttlichen Triade hat, und dass Dike die Heimstatt Leukotheas, der Götting der See, ist. Dies scheint den feurigen Aspekten zu widersprechen, die weiter oben diskutiert wurden., aber wir dürfen nicht vergessen, dass wir in Dike die Helle und die Dunkle Mutter zugleich finden. Die Polarität mit Eleos sowie die ineinander verflochtene Wasser/Feuer Beziehung wird im nächsten Abschnitt tiefer ergründet werden, aber um an dieser Stelle ein hermetisches Axiom zu zitieren:

„Das Prinzip der Polarität: Alles ist dual; alles hat Pole; alles hat sein Gegensatzpaar; gleich und ungleich sind dasselbe; Gegensätze sind ihrer Natur nach identisch, nur verschieden in ihrer Ausprägung; Extreme berühren sich; alle Wahrheiten sind nur Halbwahrheiten; alle Paradoxien können versöhnt werden [9].“

In Dike empfängt der Aspirant seine Kordel, lernt die Tessera zu bezeugen, und am Wichtigsten: Hier wird der Eid geleistet. Durch diese Handlungen wird der spirituelle Wille, das Neshamah das erste Mal kontaktiert. Nur durch die sich entwickelnde Kommunikation zwischen dem Ruach und dem Neshamah können wir weiteren spirituellen Fortschritt erreichen. Durch Dike kann unsere Heilige Sophia eine „Mutter der Wunder, der Liebe und Inspiration sein [10]“, als die Braut von Malkuth zu ihrem rechtmäßigen Thron emporsteigen.

Eleos – Gnade

Das Prinzip von Eleos wird typischerweise assoziiert mit Chokmah, welche die Säule der Gnade (Diagramm 2) krönt. Es ist die große väterliche Macht des Geistes, der die Ursache aller Dinge ist.

Während Eleos stark mit Chokmah in Beziehung steht, bekommt es seinen Titel von Chesed, der Sephirah unterhalb von Chokmah[11].  Außerdem wird im Calyx die linke Schulter berührt, während man „Herrlichkeit“ (Kai He Doxa) vibriert, ein Konzept, das eher mit dem jupiterischen Einfluss von Chesed als mit dem von Chokmah assoziiert ist. In Eleos wird Zeus nicht nur in seiner himmlischen Rolle des Urschöpfers (Primogenitor) dargestellt, sondern auch in seiner mehr väterlichen, königlichen Rolle.
Im Kontext der Triade ist Eleos der überirdische Vater wie Dike die überirdische Mutter. Hier finden wir die befruchtenden und ursächlichen Kräfte des Chiah. Dies verkörpert außerdem Melanotheos der „Führer der Himmel und der Spender des Samens für die Welt [12].“

Die Virilität von Eleos wird oft durch die Symbolik der Schlange ausgedrückt. Ihr ursprünglicher kreativer Aspekt besitzt eine sehr feurige Zuordnung, jedoch müssen wir die Polarität mit Dike berücksichtigen und bemerken, dass – obwohl sie das Prinzip der ersten Formgebung ist – Dike außerdem ebenso den Ort des Feuers innehat. Eleos korrespondiert daher mit dem Wasser bei Arbeiten mit den Elementen [13]. Wieder einmal erfahren wir die Tiefe der fünffältigen Formel des Opferhauses. Die Polarität von übernatürlichem Vater und Mutter ist dynamisch und vielschichtig, und es lässt sich nicht in einfache Korrespondenzen einpassen. Wir finden Hinweise auf diesen wässrigen Aspekt von Eleos, wenn wir erkennen, dass die Schlange häufig eine Kreatur des Meeres[14] ist.

Dike als Feuer und Eleos als Wasser finden sich auch in der kabbalistischen Überlieferung, die Hinweise für das Verständnis der Rolle des Neshamah und des Chiah gibt: „Feuer ist Binah-Bewusstsein, wo der Geist fortwährend Energie ausstrahlt. Wasser ist [Chokmah] Bewusstsein, wo der Geist spirituelle Energie von außerhalb absorbieren kann [15].“

Die Korrespondenz mit Wasser betont die Rolle von Eleos im Prozess des Erwachens und der Regeneration, welche im Herzen der Ogdoadischen Tradition liegt. Hier wird der Aspirant getauft und für die spirituelle Wiedergeburt vorbereitet; hier wird das leuchtende Tau-Kreuz [16], das Symbol des Opfers, auf die Stirn gezeichnet.

Kudos – Glorie

An seiner Position an der Spitze des Apex des Opferhauses lässt sich leicht erkennen, dass das Prinzip der Glorie (Herrlichkeit) stark mit Kether assoziiert ist. Dies ist der göttliche Funke der in allen präsent doch nur von wenigen erkannt ist. Kudos ist Geist auf seiner höchsten und reinsten Ebene, symbolisiert durch die Flamme auf unserem Bomos. Mikrokosmisch ist es „das eine Licht deines Höheren Selbst, dein persönlicher Stern der Bestimmung, welcher am göttlichen Leben teil hat, welcher immer im höchsten Heiligtum deines Seins strahlt [17]“. „Wiedergeboren“ in Eleos öffnet sich das Chiah der Erleuchtung und Transformation durch die Yechidah, welche in diesen herrlichen Höhen residiert. Im Ritus der Induktion wird das Ausgießen der Yechidah durch den Wein symbolisiert, welcher das Glas wie den Kelch unseres Seins füllt und uns einlädt, an der Ausgießung der göttlichen Berauschung teilzuhaben.

Kudos weist eine starke Resonanz auf mit Kether, und dennoch müssen wir berücksichtigen, dass der Titel „Glorie“ zur Sephirah Hod gehört, welche deutlich weiter unten auf dem Lebensbaum liegt. Ein Hinweis zum besseren Verständnis dessen findet sich in den Yetziratischen Texten: „Der achte Pfad wird die Absolute oder Perfekte Intelligenz genannt, weil er das Mittel des Ursprünglichen ist, … von wo aus seine richtige Essenz emaniert [18].“ Diese Verbindung hat besondere Bedeutung für die Anhänger des Ogdoadischen Pfades, dessen Zahl ebenfalls die Acht ist. Man vergegenwärtige sich auch, dass die Gottheit, welche stark mit Hod assoziiert ist, niemand anderes ist, als Hermes.

Trotz dieser interessanten Verbindung, denken wir, dass die Emanation von Kudos hoch oben in den Himmeln ist. Es ist daher bedenkenswert, dass im Calyx Kudos nicht über dem Kopf, sondern im Herzen strahlt, welches typischerweise mit Tiphareth, nicht mit Kether assoziiert wird. Dieses Mysterium kann nur durch Kontemplation voll erfasst werden, wird aber in The Sword and the Serpent berührt:

„Der Heilige Schutzengel ist ein Strahl, der von der bilderlosen/ unbildhaften Yechidah übertragen wird, wenn der Adept eine ausreichende Reife erreicht hat – nach außen durch das Chiah und das Neshamah (in gewissem Sinne war die Mutter schon immer schwanger mit dieser Kraft, und nun erlangt diese Tatsache Vorrang vor der Befruchtung durch den Vater) und von dort aus projiziert als … das Kind.

Archetypisch gesprochen ist die Mutter bereits schwanger von dem, welches sie austragen wird, was natürlich postuliert, dass der Befruchter in gewisser Weise prä-existent ist… [Dies wird dargestellt durch] den großen Mythos von Ishtar und ihren Sohn-Geliebten Dumuzi, der von jungfräulicher Geburt ist und daher implizit prä-existent.“

Das Mysterium kann weitergehend verstanden werden, indem man die beiden Formen des Agathodaimon untersucht, welches wiederum ein Thema tiefgründiger innerer Arbeit ist.

Schlussfolgerung

Das Haus des Opfers stellt eine tiefgehende Symbolik dar, die nicht im Ansatz durch einfache Korrespondenzen vermittelt werden kann. Die Analyse, die in diesem Aufsatz dargelegt wurde, hat gerade einmal begonnen, das komplexe System zu berühren, wie es primär durch den Ritus der Induktion und des Calyx erfahren wird. Zweifelsohne kann und sollte es weiter erhellt werden mit weiteren Beispielen der Ogdoadischen Arbeiten, anderen Mythologien, und – am Wichtigsten – dem Sternbild der Angebeteten.

Weiterhin haben wir, während wir uns auf die Diskussion der Fünf Prinzipien des Opferhauses, wie sie in den Säulen und dem Überbau zum Ausdruck gebracht werden, beschränkt haben, die drei Stufen, die zum Haus führen, nicht thematisiert. Von diesen heißt es, dass sie mit Malkuth, Yesod und Tiphareth korrespondieren, womit die Behandlung der Kabbalah beträchtlich erweitert wird. Diese Stufen, so heißt es, stehen in Beziehung mit der Ersten, Zweiten und Dritten Halle. In jedem Fall benötigen die Mysterien des Opferhauses weitere Untersuchung.

Literatur

Denning, Melita und Osborne Phillips. Mysteria Magica. Woodbury, Minnesota: Llewellyn Publications, 2005.

Denning, Melita und Osborne Phillips. The Sword and the Serpent: The Two-Fold Qabalistic Universe – Second Edition Revised. Woodbury, Minnesota: Llewellyn Publications, 2005.

Kaplan, Aryeh. Sefer Yetzirah, Revised Edition. York Beach, ME: Samuel Weiser, 1997.

Knight, Gareth. A Practical Guide to Qabalistic Symbolism, Vol. 1. Whitestable, Kent: Kahn & Averill, 1997.

Ozaniec, Naomi. The Aquarian Qabalah. London: Watkins Publishing, 2003.

Phillips, Osborne. Aurum Solis, Initiation Ceremonies and Inner Magical Techniques. Loughborough, Leicestershire: Thoth Publications, 2001.

Webster’s New Twentieht Century Dictionary – Second Edition. USA: Collins World, 1978.

 

Anmerkungen

[1]: Denning, Melita. Mysteria Magica, S. 94

[2]: Ebd.

[3]: Siehe Abbildung 2

[4]: Webster’s New Twentieth Century Dictionary.

[5]: In The Sword and the Serpent wird der Absteig in die Schöpfung auf dem Lebensbaum als „Involution“ bezeichnet. Umgekehrt wird der Rückweg „Evolution“ genannt, definiert als den Kurs der Involution zurückzuverfolgen bis die höchste spirituelle Ebene erreicht wird. Dies ist das Ziel der regenerativen Mysterien der Ogdoadischen Tradition. Denning, Melita, The Sword and the Serpent, S. 40.

[6]: Das heräische Wort „Ruach“ wird zumeist als „Atem“, „Wind“ oder „Hauch“ übersetzt, obwohl es gelegentlich auch „Geist“ bedeuten kann. Kaplan, Aryeh, Sefer Yetzirah, S. 69.

[7]: Dies wird ausfürhlicher erklärt im Ritus der Induktion, wo der Magus über das Ruach spricht als das, welches „deine emotionale und instinkthafte Natur regiert“, und auch als ein „williges und effektives Instrument für die Kräfte deiner höheren Natur, zum Glück und zur Erfüllung des Höheren und Niederen gemeinsam.“ Phillips, Osborne, Arum Solis, Initiation Ceremonies and Magical Techniques, S. 58-59.

[8]: Phillips, Osborne, Arum Solis, Initiation Ceremonies and Magical Techniques, S. 37.

[9]: Dieses Zitat entstammt einem Text von 1912, mit dem Namen Das Kybalion, einer kurzen Abhandlung über die Hermetik. Die Urheberschaft ist unbekannt, aber das Werk wird häufig von esoterischen Autoren zitiert, inklusive Ozaniec, Naomi, The Aquarian Qabalah, S. 9.

[10]: Ebd., S. 62.

[11]: Wie bereits erwähnt, erhält Dike gleichermaßen ihren Titel „Gerechtigkeit“ von Geburah unterhalb von Binah.

[12]: Mysteria Magica, S. 90.

[13]: Phillips, Osborne, Arum Solis, Initiation Ceremonies and Magical Techniques, S. 38

[14]: Initiaten des Astrum Sophiae können eine exzellente Asuführung zu diesem Punkt finden in „The Serpent and the Egg: The Melanotheos Principle“, veröffentlich in Messenger VII. [Nachgedruckt in Ogdoadic Journal Vol.1 Issue 1] [15]: Kaplan, Aryeh, Sefer Yetzirah, S. 147. Bei der Erklärung des Emanationaktes von Kether zitiert Kaplan auch die Yetziratischen Texte: „Der Atem des lebendigen Gottes, Atem aus Atem, Wasser aus Atem, Feuer aus Wasser“ (S.88). Dies kann als die Schöpfung des wässerigen Chokmah  aus dem Atem Gottes betrachtet werden, gefolgt vom feurigen Binah nach Chokmah.

[16]: Initiaten des Astrum Sophiae können  eine faszinierende Studie über die Verbindungen zwischen dem Tau Kreuz und antiken ägyptischen Wasserbecken nachlesen in Messenger VI [ebenfalls nachgedruckt in Ogdoadic Journal Vol.1 Issue 1].

[17]: Phillips, Osborne, Arum Solis, Initiation Ceremonies and Magical Techniques, S. 66.

[18]: Knight, Gareth, A Practical Guide to Qabalistic Symbolism, Vol. 1, S. 64